Städte sind von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen. Durch ihre großformatigen Betonflächen heizen sie sich im Sommer stärker auf als ihre Umgebung (Wärmeinseleffekt UHI). Und sie sind voller Feinstaub und Lärm – dies in steigendem Maße. Der Anteil der Menschen in dicht bebauten Gebieten ist zwischen 1960 und 2014 von 34 auf 54 % gestiegen.
Zur Verbesserung der Lebensqualität können Metropolen vertikal begrünt werden. Großflächige Pflanzenteppiche vor Gebäuden und im freien Raum ermöglichen in der Regel eine Reduzierung der Feinstaubbelastung in einer Straßenschlucht um 10 bis 20 %. Der Schallpegel von Umgebungs- und Verkehrslärmquellen kann bei ausreichendem Abstand zur Lärmquelle um bis zu 10 dB(A) reduziert werden.
Zudem hat der Anteil an Grünflächen neben anderen stadtbezogenen Parametern wie Sonneneinstrahlung, dem Verhältnis zwischen Höhe und Breite von Straßenschluchten und der thermischen Masse Einfluss auf den UHI. Bei sehr dichten Stadtzentren wie in Hongkong oder Melbourne wurden Temperatursenkungen durch Stadtbegrünungen von bis zu 10 °C modelliert. /1/
Darüber hinaus produzieren Pflanzen O2 und binden CO2. Ein Baum kann in seiner höchsten Produktivitätsphase bis zu 60 kg des klimaschädlichen Gases pro Jahr aufnehmen. /2/
Neben diesen positiven Effekten bieten begrünte Fassaden einen weiteren, angesichts der verdichteten Innenstädte unschätzbaren Vorteil: Sie kommen beim Wachstum nahezu ohne Bodenfläche aus. Wie dies geht, zeigt das Office for Micro Climate Cultivation, kurz OMC°C. Das junge Unternehmen entwickelt ein skalierbares, saisonal bewirtschaftetes Produktsystem für die vertikale Begrünung städtischer Räume und setzt dabei auf eine Serienlösung.
„Durch den modularen und flexibel anpassbaren Aufbau schaffen wir serielles Grün und bringen Schatten spendende und kühlende Biomasse in die Städte“, sagt Nicola Stattmann, Director & Founder / Product Development & Technology von OMC°C.
Grundlagen der Innovation sind einjährige, schnell wachsende Kletterpflanzen und Netze aus Flachs, die auf einer Schusswirkmaschine von KARL MAYER Technische Textilien gefertigt wurden. Zur ITMA 2023 in Mailand zeigt die KARL MAYER GROUP ein begrüntes Netz auf ihrem Stand in Halle 4 B119 in der Fiera Milano Rho.
Skalierbare Module und saisonale Begrünung
Das Begrünungssystem von OMC°C ist ebenso wirkungsvoll wie kosteneffizient. Die verwendeten Kletterpflanzen werden im Frühjahr neu gepflanzt und ranken bis zum Herbst an textilen Netzen in Leichtbau-Modulen bis zu 7 m in die Höhe. Ein Modul umfasst dabei sechs Netze und ist 10 m, also drei Stockwerke, hoch. Die kombinierbaren Pflanzensegel sind optimal für die anspruchsvolle Aufgabe der Stadtbegrünung geeignet. Sie lassen sich flexibel und frei im öffentlichen Raum platzieren, beanspruchen ein Minimum an Bodenraum und verbessern das Stadtklima. Durch Verdunstungseffekte kann die Umgebungstemperatur im Sommer pro Modul spürbar gesenkt werden. Zudem produzieren die Pflanzen durch die Fotosynthese Frischluft und binden CO2, auch noch über ihre saisonale Nutzung hinaus. Unter dem Motto „Value statt Waste“ wird die Biomasse samt Netz im Herbst deinstalliert und in Pyrolyseanlagen zu Strom und Aktivkohle verwertet.
Netze von Schusswirkmaschinen
Die Netze für das innovative Begrünungssystem bestehen aus dem nachwachsenden Rohstoff Flachs. Warum?
„Flachsfasern sind in Europa ausreichend verfügbar und für unseren speziellen Einsatz bestens geeignet“, antwortet Carlotta Ludig, Director & Founder / Operations & Finance von OMC°C.
Wie Segel werden die Netze aus Flachs im Frühjahr gehisst, im Sommer sind sie begrünt und im Herbst werden sie gemeinsam mit den Kletterpflanzen eingeholt, also geerntet. Hierfür bieten die Gittertextilien biologische Abbaubarkeit, ausreichend Lichtdurchlässigkeit und ein geringes Gewicht. Zudem stimmt die mechanische Performance. An der Universität Luzern wurden die Netze im Windkanal bei 170 km/h, also bei Orkanstärke, erfolgreich getestet.
Bei der Entwicklung der innovativen Rankhilfen haben Carlotta Ludig und ihr Team mit der KARL MAYER GROUP, dem Weltmarktführer u. a. bei der Herstellung von Netzraschelmaschinen, zusammengearbeitet. Erste Gespräche mit den Textilspezialisten machten schnell klar: Für die speziellen Anforderungen ist eine Kettenwirkmaschine mit Magazinschusseintrag am besten geeignet.
„Um die gewünschten hohen mechanischen Festigkeiten zu erreichen, müssen die Fadenlagen aus Flachs gestreckt in das Textil eingebunden werden“, erklärt Kay Burkhardt, Anwendungstechniker von KARL MAYER Technische Textilien.
Für die Verarbeitung des Naturfasermaterials im Schussbereich und eines kompostierbaren PLA-Materials als Kettfaden ist die WEFTTRONIC® II G prädestiniert. Das durchdachte Fertigungsequipment zeichnet sich durch einen schonenden Umgang mit den Garnen, eine hohe Produktqualität und Bestwerte in puncto Effizienz aus. Neben der Netzstruktur entstehen die erforderlichen Randverstärkungen direkt auf der Maschine.
Vielfältige Nutzungsszenarien
Zielgruppen für die Begrünungslösung von OMC°C sind Kommunen, Unternehmen und die Bauwirtschaft. Kommunen müssen Quartiere, Plätze und Verkehrswege begrünen, um ihre Klimaziele zu erreichen und ihren Bürgern Lebensqualität zu bieten. Unternehmen können durch die Begrünung von Werksgebäuden oder Anlagen kommunale Bauauflagen erfüllen. Zudem wird die Möglichkeit geboten, Kosten für die Klimatisierung zu sparen und eigene Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Die Begrünungslösung von OMC°C ist dabei für Neubauten wie für Bestandsimmobilien interessant. In der Immobilienwirtschaft ist nachhaltiges Bauen aktuell der größte Wachstumsmarkt. Die Nachfrage nach klimaneutralen Gebäuden steigt stetig.
Wer mehr über das innovative Begrünungssystem von OMC°C wissen will, dem ist ein Besuch des KARL MAYER-Stands auf der kommenden ITMA in Mailand zu empfehlen. Außerdem wird gerade ein Prototyp hinter dem Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main installiert. Das Museum und der Deutsche Wetterdienst wollen erforschen, inwieweit das Pflanzensegel das Mikroklima und das Wachstum von Lebewesen beeinflusst. OMC°C ist mit der Mainmetropole besonders verbunden. Im vergangenen Jahr wurden Carlotta Ludig und Nicola Stattmann mit dem Frankfurter Gründerpreis ausgezeichnet. Die beiden Gründerinnen freuen sich auf Anfragen unter office@omc-c.com.